Vernetztes diagnostisches und therapeutisches Handeln in der Zahnmedizin


Einführung

„Am Ende eines jeden einzelnen Zahnes hängt immer ein ganzer Mensch“ war ein beliebter Ausspruch von Prof. Wannenmacher, einem der großen Alten der Zahnheilkunde, und er pflegte seinen Examenskandidaten als Motto mit auf den Weg zu geben: „Seien Sie mehr Arzt als Zahn“, womit er wohl meinte: „Sehen Sie stets als Arzt den ganzen Menschen, sehen Sie auch die zahnärztliche Problematik einmal aus ganzheitlicher Sicht!“.

Tatsächlich weisen immer mehr wissenschaftliche und klinische Publikationen auf eine Vielzahl von Wechselwirkungen zwischen Erkrankungen des Kauorgans und des übrigen menschlichen Organismus hin. Das gilt gerade für die Parodontitis im Wechselspiel mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Parodontitis und Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Der möglichen Rolle der Parodontitis (Entzündung des Zahnhalteapparates) als Risikofaktor und Indikator für Allgemeinerkrankungen wurde in den letzten Jahren besondere Aufmerksamkeit zuteil. Vor allem die Beziehung zwischen Parodontitis und Erkrankungen der Herzkranzgefäße wurde in einer Reihe von Studien genau untersucht.

Herzerkrankungen findet man tatsächlich gehäuft bei Parodontitispatienten. So konnte gezeigt werden, dass Parodontitis und Erkrankungen, die mit einer verminderten arteriellen Durchblutung eines Gewebes verbunden sind (sog. ischämische Erkrankungen), möglicherweise gemeinsame Krankheitsursachen besitzen (Beck et al., 1996; Kocher et al. 1999). Eine Studie an Patienten unter 40 Jahren mit ischämisch bedingten Schlaganfällen ergab, dass diese Patienten häufiger schlechte Mundhygiene zeigten als die Kontrollgruppe (Hindfelt et al., 1977).

In der Parodontologie wird angenommen, dass die Bakterien, die bei der Parodontitis die Zahnfleischtaschen besiedeln, an der Entstehung der Arteriosklerose und der Arterienthrombose beteiligt sind. Erkrankungen der Herzkranzgefäße und Infarkt stehen in umgekehrter Beziehung zur Zahl der vorhandenen Zähne, d.h. je weniger Zähne ein Patient noch hat, umso häufiger treten Erkrankungen der Herzkranzgefäße und Infarkte auf und umgekehrt. Daraus lässt sich schließen, dass parodontale Infektionen eine unterschwellige Einschwemmung von Bakterien in den Blutkreislauf (sog. Bakteriämie), eine Zunahme weißer Blutkörperchen (der Leukozyten) sowie eine Zunahme von Zerfallsprodukten von Bakterien (den sog. Endotoxinen) verursachen. Dadurch werden sowohl die Innenwände von Lymph- und Blutgefäßen (sog. Endothel) als auch der Stoffwechsel der Plasmalipide (Fette der Zellmembran) und die Funktion der Thrombozyten (sog. Blutblättchen, die für die Blutgerinnung zuständig sind) und damit auch die Blutgerinnung negativ beeinflusst. Menschen mit Parodontitis haben ein höheres Risiko für Erkrankungen der Herzkranzgefäße als Gesunde (Gätke und Kocher, 2007/2008).

In der Parodontologie gut dokumentiert ist ebenfalls die Tatsache, dass über die letzten 20 Jahre die Zahl der Zahnlosen in unserem Kulturkreis gesunken ist und die Menschen heutzutage eine größere Zahl eigener Zähne behalten als ihre Vorfahren (DMS IV, 2006).

Vernetzung von Parodontologie und Allgemeinmedizin

Etwa 70-75 % der Weltbevölkerung leiden an Erkrankungen des Zahnhalteapparates. Was das für die Gesundheit der Weltbevölkerung bedeutet, lässt sich erahnen, wenn man die Wechselbeziehungen zwischen parodontaler und allgemeiner Gesundheit berücksichtigt (Oral Health in America, 2000).

So ist heute allgemein anerkannt, dass die Mund- und Zahngesundheit nicht isoliert gesehen werden darf. Immer mehr ist vom Zahnarzt die Gesamtverantwortung für die Gesundheit des Menschen gefordert, die ZahnMedizin und mit ihr die Parodontologie ist integrativer Bestandteil jeglichen ärztlichen Handelns, und die Verantwortung des Zahnarztes als Arzt wird immer größer, denn die Mundhöhle ist ein Spiegel von Gesundheit oder Krankheit und eine potente Quelle krankmachender Einflüsse auf andere Systeme oder Organe.

In der Zukunft wird daher gerade unter vernetzungsorientierten Gesichtspunkten der Parodontologie in der zahnärztlichen Praxis ein zentraler Stellenwert zukommen. Auch der konventionell-medizinisch tätige Zahnarzt wird sich ganzheitlichen Aspekten in Diagnose und Therapie nicht entziehen können.

Ganzheitliche Parodontologie in unserer Zahnarztpraxis

In unserer Zahnarztpraxis bieten wir das Konzept einer integrativen, ganzheitlichen Parodontitis-Prophylaxe und Parodontitis-Therapie an. Mit unserem Ansatz, der vor allem die Orthomolekulare Medizin, die Bedeutung des Darms und der Ernährung zur Stabilisierung des Immunsystems berücksichtigt, wird der Organismus auf breiter Basis in seiner Selbstregulation so weit unterstützt, dass seine Fähigkeiten, sich gegen Infektionen zu wehren, gestärkt werden und er vieles selber ausgleichen kann.

Aus unserer Sicht trägt nur ein solch breiter Ansatz der umfassenden Bedeutung der Parodontitis für die gesamte Gesundheit Rechnung. Daher arbeiten auf dem Gebiet der Parodontologie mit unseren Prophylaxespezialistinnen im Rahmen eines Therapeutennetzwerkes auch mit Ernährungstherapeut(inn)en zusammen.